Forderungskatalog,
Stand April 2022
Wir sind ein offenes, unabhängiges und disziplinübergreifendes Bündnis von Kulturschaffenden und Institutionen, das sich zusammengeschlossen hat, um für gerechte, nachhaltige, diverse und inklusive Verhältnisse im Kunst- und Kulturbetrieb einzutreten.
Was uns in Bezug auf die gegenwärtige gesamtgesellschaftliche Transformation bewegt, sind die Sorge um die Zukunft der Künste sowie die Überzeugung, dass diese nur dann unabhängig bleiben, wenn sich die Strukturen und Bedingungen des Kunst- und Kulturbetriebs sowie für Kunst- und Kulturarbeiter*innen radikal verändern.
Im letzten Jahr haben sich innerhalb dieses Bündnisses Institutionen sowie Kunst- und Kulturarbeiter*innen in Arbeitsgruppen zu den wichtigen Themen: Gerechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen; Anti-Diskriminierung & Anti-Rassismus; Nachhaltigkeit; Mitsprache an politischen Entscheidungsprozessen zusammengeschlossen, um gemeinsam Forderungen an die Politik, aber auch an uns selbst zu erarbeiten und zu formulieren. Der nachfolgende Forderungskatalog beinhaltet die bisher erarbeiteten Ergebnisse dieses fortlaufenden Prozesses.
Wir fordern eine Erhöhung der Kulturförderung auf kommunaler und Landesebene, um verpflichtend eine gerechte und angemessene Bezahlung für alle Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen zu gewährleisten. Dabei muss die Inflation und Teuerungsrate dynamisch berücksichtigt werden, sodass die Vergütung für Festangestellte ebenso wie für Künstler*innen und freie Mitarbeiter*innen angepasst werden kann.
Grundlage für die geforderte Erhöhung der öffentlichen Kulturförderung sollte eine landesweite detaillierte und transparente Evaluation des Status Quo sowie des Mehrbedarfs an institutioneller und individueller Förderung sein, um eine gerechte und angemessene Bezahlung für Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen entsprechend bestehender bzw. noch zu ermittelnder Vergütungsleitlinien zu ermöglichen.
(Beispiel: Eine Institution, die im Hinblick auf die Zielvergütung bereits einen bestimmten Betrag zahlt, kann das, was zum angestrebten Ziel fehlt, zusätzlich beantragen. Sie muss, um eine Erhöhung der Zuschüsse zu erhalten, nachweisen, dass sie alle bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft hat. Bei Erhöhung der Zuschüsse muss sie nachweisen, dass der Mehrbetrag ausschließlich der Zielvergütung von Künstler*innen, freien und festen Mitarbeiter*innen zugutekommt.)
Eine die Politik und Institutionen verpflichtende Einführung einer angemessenen Ausstellungsvergütung für Künstler*innen. Orientierung der Vergütung an der »Leitlinie Ausstellungsvergütung 2021« des Bundes-BBK:
https://www.bbk-bundesverband.de/fileadmin/user_upload/Leitlinie_Ausstellungsverg %C3%BCtung_2021.pdf
Förderprogramme, Arbeitsverträge und Organisationsstrukturen dürfen keine un- oder unterbezahlten Dienstleistungen vorsehen: Der gesetzlich verpflichtende Mindestlohn muss auch im Kulturbereich eingehalten werden; die Bezahlung von Kunst- und Kulturarbeiter*innen aller Sparten und Bereiche soll darüber bestenfalls durch an tarifvertragliche Vereinbarungen gestützt und untermauert werden.
Ernsthafte Arbeit an der Aufhebung des Gender-Show- und Gender-Pay-Gap. Einführung einer Praxis der “Entsammlung” und zielgerichtete Ankäufe bis ein ausgeglichenes Verhältnis in den Beständen öffentlicher Sammlungen, bei Kunst im öffentlichen Raum und im Ausstellungsbetrieb und bei Kunst im öffentlichen Raum erreicht ist. Die verpflichtende Quote von 50 % (bei Studierendenanteil von 80 % Frauen tendenziell höher als 50%) soll ebenso bei der Besetzung von Professor*innenstellen und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innenstellen an künstlerischen Hochschulen eingeführt werden. Ebenso soll in den Lehrinhalten der Gender-Gap aufgeholt und Forschung über die Errungenschaften von Künstlerinnen unterstützt werden, bis auch hier ein ausgeglichenes Verhältnis von 50 % erreicht ist.
Die Freie Szene der Bildenden Kunst sollte der Freien Szene des Theaters gleichgestellt werden: Off Spaces sollten ähnlich wie Freie Theater eine kontinuierliche finanzielle Unterstützung für das Jahresprogramm erhalten.
Bei der gesamtgesellschaftlichen nachhaltigen Transformation kann den Kunst- und Kulturinstitutionen und den Kulturarbeiter*innen (neben den betriebsökologischen Maßnahmen) eine besondere Rolle der Vermittlung zukommen, indem sie nicht nur selbst diese Wandlung vollziehen, sondern auch Erkenntnis- und Denkprozesse anstoßen und forcieren und damit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen.
Um den finanziellen Mehrbedarf bei der nachhaltigen Transformation des Kunst- und Kulturbetriebs zu eruieren, ist ebenfalls eine landesweite Evaluation zu empfehlen.
Den Beteiligten ist bewusst, dass es sich bei diesen Forderungen sowohl um kurz- als auch mittelfristige, individuelle Ziele handelt. Es ist notwendig, dass für alle Forderungen auch Methoden zur Evaluierung installiert werden.
Wir, die im Bündnis vertretenen Partner*innen, streben mittelfristig eine verbindliche Selbstverpflichtung an.
Das Bündnis für eine gerechte Kunst- und Kulturarbeit, Baden-Württemberg, im April 2022
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